[Aus: "Gedankenkartograf", Gedichte und Zeichnungen, Edition Melos, Wien, 2021.]
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Gedichtfilm
Videoart
GROSSMUTTER// da war etwas in jenem sommer/ das wir nicht zusammenzählen mussten/ das nicht im minus stand/ oder einen gemeinsamen nenner suchte/ wir fragten großmutter/ wohin der sommer ginge/ und ob er einen namen trüge/ sie nannte ihn glück und erzählte/ er ruhe in den bäumen/ und in uns selbst"
[Text/Sprecherin/Video/Bearbeitung: Claudia Kohlus]
Verbleichen
Vielleicht etwas Unverwundbares,
der Finger im Marmeladenglas –
ohne Wespen drumherum. Vielleicht
auch der Zerfall von etwas Ganzem,
ein Überbleibsel aus Geflicktem,
nur eine Aneinanderreihung
von Hirngespinsten in Rosarot. Oder
ein persönlicher Verlust,
einer dieser Blicke
zurück auf üppigere Wiesen,
die nie verdorrten
im Laufe der Jahre u.
es dann doch taten, wie es schien
hatten wir längst
das Gießen vergessen
u. sind mit dem Gras
dünner geworden, einfach so
hatte die Heimat
an Farbe verloren
u. blieb dennoch
eine schillernde Einbildung
von Gewohntem, ein Ort,
an dem die Atem-
züge schneller gehen.
[Aus: Jahrbuch der Lyrik, 2013, DVA + Märchenstundung, 2015, Edition Schultz & Stellmacher, Text des Monats im Literaturhaus Zürich 2011]
den weißen wal hatte niemand gesehen
dabei strickten alle
an den netzen und diskutierten
über bestattungsriten unsterblicher
als sei trost zu finden irgendwo
im bann einer fieberhaften tätigkeit
[Aus: Manuskripte 206/2014 + Märchenstundung, 2015, Edition Schultz & Stellmacher]
o petrichor!
der efeu krauchte über die häuserwände
hütete die nester der amseln
bis die elstern wind davon bekamen
der specht ließ sich nicht beirren
er suchte im löchrigen beton nach insekten
die die schwalben verschmähten
der sommer krümmte schon seinen rücken
weiße wolkenformationen rollten übers land
gestoppt von schwarzen schafen
die den geruch von sommerregen brachten
auf dem asphalt
o petrichor!
in den hinterhöfen
in denen wir glückliche momente
wie ostereier suchten
fanden wir nur leere schnecken
häuser
[Aus: Manuskripte]
nüscht
recht otterig gelegen auf müllig verwesendem
die beine hinter die öhrchen, verzogen die mimik
wenn's knipst, dann gelächelt aus breiten organen
& die ahnen, wie spanferkel im grab sich gedreht
die bluse auf halbmast, geschritten mit großem
titanhaften wesen, ein stündliches bitten nach
kraulen und kratzen am rücken und tiefer
das endlose schwitzen, gesäugt an den zitzen der
kunst und verschwommen zerronnen das nuckelnde
schmatzen, geleckt & gesabbert
verzicht und vergangen
nüscht jefühlt im jewühl!
[Aus: Jahrbuch der Lyrik, 2009,
S. Fischer Verlag, Bücherfrauen Kalender, 2013, Anaconda Verlag]
aufwind
eigentlich hätte ich
gern mehr erfahren
von den fußspuren
im krebsgang
von den brechenden wellen
und einem leben
im aufwind
[Aus: Manuskripte Nr. 206/2014 + Märchenstundung, 2015, Edition Schultz & Stellmacher]
wir sahen hochhaussiedlungen du nanntest sie
setzkästen der unterdrückten und sagtest hier keime
eine radikale humorlosigkeit beizeiten und längst
harren die narren wieder bei hofe du sagtest es prahle
hier niemand mit kräuterspiralen und niemand harke
den kies in wellen hier leben einsame dornröschen
gestapelt übereinander und verweigern das erwachen
du zeigtest mir waben im beton darin scheinprinzen
rücklings sitzend auf ihren kleppern
[Aus: Lyrik der Gegenwart, Anthologie zum Feldkircher Lyrikpreis, 2014, Edition Art Science, St. Wolfgang + Märchenstundung, 2015, Edition Schultz & Stellmacher]
blumenmob
auf den schotterwegen
marschieren blumen
im stechschritt ich rufe
stehenbleiben stopp dann
rühren rühren ruf ich rüber
zu dem pulk der stiebt in
alle richtungen & stellt
sich auf die wiesen
[ringsum]
wie zinnsoldaten
stramm stehend ich rufe
lasst das! (in den blumenmob)
derweil ein käfer ruht
auf meiner schulter
& flüstert locker
bleiben
[Aus: Blumenmob, Verlag im Proberaum 3, 2010]